Erosionssichere Straßenböschungen – Bemessung und Auswahl von Systemlösungen

Erosion tritt häufig dann an Straßenböschungen auf, wenn eine starke und konstante Einwirkung von Niederschlägen durch lokale Wetterphänomene erfolgt. Ebenfalls führen Trockenperioden dazu, dass der Boden durch fehlende Kohäsion der Bodenpartikel nicht mehr in Agglomeraten zusammenhält, sondern auseinanderfällt. Hohe Wind- oder Wasserkräfte transportieren im nächsten Schritt abgelöste Bodenpartikel ab. Das führt ggf. zu Sichtbehinderungen infolge von Staubaufkommen oder zu Verdreckungen und Verstopfungen durch Schlamm. Lassen die Transportkräfte nach, so lagert sich das möglicherweise verunreinigte Bodenmaterial an unerwünschten Stellen wieder ab. Dieser Dreiklang aus Erosion, Transport und Deposition kann zu erheblichen Problemen führen.

Mechanismen der Böschungserosion

An Böschungen treten meist Flächen- oder Rillenerosionen auf, nachdem ein Niederschlagsereignis die Oberfläche umgelagert hat. In Abbildung 2a. ist der Regentropfen dargestellt, welcher seine kinetische Energie an die Böschungsoberfläche überträgt, sobald dieser die Bodenoberfläche erreicht. Dabei sprengt der Tropfen die Bodenpartikel auf. In Abbildung 2b. beginnen feine Partikel die Poren der Bodenoberfläche zu verstopfen und vermindern die Infiltration. Eine initiale Verschlämmung beginnt. Der Oberflächenabfluss hat sich in Abbildung 2c. ausgebildet und der Abtrag von Partikeln böschungsabwärts beginnt. Erosion, der Start der Bewegung und der folgende Transport führen zu den bekannten Erosionsphänomenen, wie Erosionsrinnen und -rillen oder zu einer flächigen Erosion.

Böschungen an viel genutzten Verkehrswegen sollten besonders gegen Erosion geschützt werden. Denn diese stellt durch Spontanversagen ein Risiko für Verkehrsteilnehmer mit kostspieligen Folgen dar, z. B. eine aufwendige Schadensbeseitigung. Die Rückbaukosten können hoch werden, wenn abgelagertes Material technische Bauwerke beeinträchtigt. Daher ist es sinnvoll, Maßnahmen zur Minderung des Erosionsrisikos bereits frühzeitig umzusetzen. Dafür ist es nötig, dass zum einen die ablaufenden Prozesse richtig verstanden werden und zum anderen zielgenau projektspezifische Lösungen erarbeitet werden.

Abbildung 2: a. Erosiver Niederschlag trifft auf eine Böschungsoberfläche b. Porenverstopfung c. Oberflächenabfluss mit Materialtransport

Erosionsschutz für ein besseres Klima

Eine beispielsweise mit Gräsern begrünte Böschung, wie in Abbildung 1, ist einfach zu pflegen und fügt sich gut in das Landschaftsbild ein. Sie bietet Infiltrationskapazität gegenüber den stark versiegelten Straßenflächen. Infiltration ist nicht nur wichtig für ein gutes Mikroklima, sondern im weiteren Sinn auch für die Grundwasserneubildung. Begrünte Böschungen unterstützen das Mikroklima durch ihre Interzeptionsspeicherwirkung. Die Wurzeln der Pflanzen halten das Bodenwasser im oberen Erdreich. Durch Evapotranspiration verbinden die Pflanzenblätter den Wasseraustausch mit der Luft. Viele Pflanzen haben durch die große Blätteranzahl eine hohe Oberfläche, auch die Benetzung der Pflanzen wirkt sich positiv aus. Bewachsene Böschungen tragen zudem zur Biodiversität bei, wenn sich verschiedene Pflanzenarten (z. B. Blühpflanzen) integrieren können. Eine konstant begrünte Böschung bietet somit – im Gegensatz zu versiegelten Böschungen – einen enormen Vorteil für das Klima.

Solche begrünten Böschungen können weltweit und in großer Anzahl einen Beitrag zur Verbesserung des Klimas leisten. Die Temperatur über einer solch begrünten Böschung ist in Hitzeperioden niedriger, zudem fällt die Rückspiegelung einer grünen Böschung geringer aus als bei versiegelten oder unbegrünten Böschungen.

Systeme zur Lösung von Erosionsproblemen

Ein gutes Erosionsschutzsystem verfügt über ein flächiges Erosionsschutzprodukt mit dazugehörigen Befestigungen. Die Systeme bieten eine flächige Auflage, einen guten Verbund mit dem Untergrund und einen sicheren Schutz gegen unterschiedliche Erosionsformen. Diese Systeme können temporär oder permanent ausgeführt sein, vgl. Tabelle 1.

Temporärer Erosionsschutz

Biologisch abbaubare Erosionsschutzsysteme sind naturnahe Lösungen, die ihre Funktion an die etablierte Vegetation übergeben. Sie bieten der Initialbegrünung und in der vegetativen Phase Schutz für die Bepflanzung und mindern oberflächig die Energie des Niederschlages. Die flächigen Produkte werden auf die Böschungsoberfläche aufgelegt und mit ebenfalls biologisch abbaubaren Befestigungen gegen Wind gesichert. Das Erosionsschutzsystem ist somit vollständig biologisch abbaubar und ein Ausbau entfällt. Je nach eingesetztem Rohstoff variiert die Funktionsdauer. In Abbildung 3 ist ein Kokosfasernetz dargestellt. Kokosfasern verfügen über einen hohen natürlichen Ligninanteil und bauen sich dementsprechend langsam ab. Die gewobene Netzstruktur wirkt durch die spezifische Fadendicke schattenspendend, was die Regulierung der Bodenfeuchtigkeit positiv unterstützt. Die Öffnungen des Netzes bietet sowohl ein- wie zweikeimblättrigen Pflanzen optimalen Raum zur zügigen Etablierung. Fixiert wird das Naturfasernetz mit angespitzten Holzpflöcken mit Querholz für einen optimalen Verbund mit dem Untergrund. Das flächige Produkt wird ohne Verpackung als Rollenware angeliefert und sollte zügig eingebaut werden.

Permanenter Erosionsschutz

Geosynthetische Erosionsschutzsysteme werden seit vielen Jahren erfolgreich eingesetzt. Die leichten Produkte lassen sich einfach und schnell in die oberste Bodenschicht einbringen. Dabei wirken diese Systeme unmittelbar nach Einbau. Der Vorteil von geosynthetischen Produkten gegenüber Naturfaserprodukten ist die permanente Schutzwirkung, siehe Abbildung 4. Permanente Produkte wirken sicher, da vegetationsfähiger Boden in den offenporigen Wirrlagen sehr gut eingebunden und festgehalten wird. Die Wirrlage entspricht einem künstlichem Wurzelgeflecht, bis die Pflanzen Wurzeln entwickelt haben. Anders als temporäre Erosionsschutzsysteme erfüllen diese permanenten Systeme auch ihre Funktion, wenn die Begrünung an stark exponierten Böschungen unvollständig anwächst oder nach Jahren in ungewöhnlichen Trockenphasen ausfällt. Bei Starkniederschlägen wiederum stabilisiert und bewehrt das System den Boden zusätzlich zu dem natürlichen Wurzelwerk.

Passend zum permanenten flächigen Produkt wird ein permanentes Befestigungsprodukt empfohlen. In Abbildung 4 ist eine Befestigung in Form eines angespitzten, gleichschenkligen Stahlbügels dargestellt. Dieser fixiert das Wirrgelegeprodukt formschlüssig mit dem Untergrund. So wird ein Hochwehen vermieden und das Einfüllen mit Mutterboden erleichtert. Das flächige Erosionsschutzprodukt wird als Rollenware angeliefert, ist lagerbar und kann überlappend oder Stoß an Stoß einfach verlegt und schnell fixiert werden.

Zudem bieten diese Produkte bei Facingsystemen einen Rieselschutz. Es gibt außerdem die Option, intelligente Kombinationsprodukte einzusetzen. Diese können bei speziellen Anforderungen guten Erosionsschutz bieten.

Abbildung 4: Funktionsweise eines permanenten Erosionsschutzsystems am Beispiel Secumat® Classic

Bemessung eines Erosionsschutzsystems

Für eine ingenieurmäßige Berechnung müssen einwirkende Kräfte betrachtet werden. An Straßenböschungen wirkt erosiver Niederschlag auf ungeschützte Bodenoberflächen. Dabei entsteht Bodenabtrag. Dabei sind wesentlich:

  • die vorherrschende örtliche Lage der Böschung, klimatische Zone, etc.
  • ihre Ausrichtung in Himmelsrichtung bzw. Niederschlagsangriffsrichtung,
  • die geometrische Form
    • Hanglänge
    • Hangneigung
  • die Struktur der Böschungsoberfläche (Struktur des geplanten oder vorhandenen Bewuchses, Terrassierung u.a.) die Art und Struktur des vorherrschenden Bodenmaterials.
  • Einrechnung von Sicherheitsfaktoren im Abgleich mit Regelwerken, Merkblättern und Normen.

Erosionsschutzsysteme sind daher nicht ohne Vorkenntnisse zielgenau auszuwählen. Es wird empfohlen, ebenfalls auf den Nutzen und die Dauer der Funktion an solchen gesicherten Böschungen zu achten. Softwarelösungen bieten die Möglichkeit, mit geringem Aufwand eine angepasste Lösung zu entwickeln. Dafür können Softwarelösungen genutzt werden, siehe Abbildung 5.

Abbildung 5: Naue Erosion Control Software (Version 1.0, 2022), Startseite

Ein angepasstes Erosionsschutzsystem ist mit der geeigneten Software sicher und schnell zu bemessen. Die einzubeziehenden Daten können einfach und ortsbezogen eingegeben werden, siehe Abbildung 6. Ausgegeben wird unter Beachtung der o.g. Faktoren ein Erosionsschutzsystem, das auf die Anwendung zugeschnitten und ist.

Abbildung 6: Auswahl von Anwendungsfällen in Softwarelösungen am Beispiel Naue Erosion Control Software (Version 1.0, 2022)

Straßenböschungen mit Erosionsschutz

Eine begrünte Böschung sieht nicht nur schön aus: Begrünte Böschungen sind nachhaltig. Erosionsschutzsysteme können angepasst auf jedes Bauvorhaben und bei bestehenden Böschungen nachträglich eingebaut werden. Das Nachrüsten hat den Vorteil, dass es einfach und schnell umgesetzt werden kann. Die Schutzsysteme werden in die oberste Bodenschicht eingebracht, daher ist kein umfangreicher Bodenaushub notwendig. Bei neu entstehenden Böschungen kann das Erosionsschutzsystem zum Ende einer Bauphase in die oberste Bodenschicht eingebunden werden.

Abbildung 7: a. Autobahnböschung im Bauzustand

Abbildung 7: b. Straßenböschung mit Erosionsschutz

Durch zeitlich wechselweise Mahd können die Böschungen einfach gepflegt werden. Dabei sollte wechselweise gemäht werden, damit Habitate für Insekten nicht innerhalb eines Mahdzyklus komplett zerstört werden, wie es bei vollständiger Mahd der Fall wäre. Abbildung 7 zeigt eine Autobahnböschung im Bauzustand, welche mit einem permanenten Erosionsschutzsystem ausgestattet wird. In diesem Fall wird ein permanentes Wirrgelege mit Raschelgewebe und passenden Befestigungen eingesetzt. Die Böschung wird mit bewuchsfähigem Mutterboden angedeckt. Die Abbildung rechts zeigt eine Straßenböschung mit begrüntem Erosionsschutzsystem.

LITERATUR

[1] DIN EN ISO 10318: Geokunststoffe, Fassung 2015, Teil 1 ff.[2] DGGT: Empfehlungen für den Entwurf und die Berechnung von Erdkörpern mit Bewehrungen aus Geokunststoffen – EBGEO, Zweite Auflage 2016.[3] Schwertmann et al., Bodenerosion durch Wasser. Vorhersage des Abtrags und Bewertung von Gegenmaßnahmen, Zweite Auflage 1990.[4] BAW Merkblatt Materialtransport im Boden (MMB), Herausgeber: Bundesanstalt für Wasserbau (BAW), Ausgabe 2013, S.8 ff.[5] UBA, Wirkungen der Klimaänderungen auf die Böden, Untersuchungen und Auswirkungen des Klimawandels auf die Bodenerosion durch Wasser, Fassung 16/2011.[6] GSI White Paper 38, Elimination of soil erosion using geosynthetics, Koerner et al., Fassung 2018, Seite 2 ff.